Donnerstag, 17. November 2016

Darf man als Autor/in schüchtern sein?


Nein.

Lasst mich Euch erklären, wie ich zu diesem Schluss gekommen bin: 

Ich war schon immer ein schüchternes Mädchen. Als ich in der ersten Klasse war, war ich so schüchtern, dass ich meine Süßigkeiten nur an einem einzigen Kiosk kaufen konnte. Den Besitzer dieses Kiosks kannte ich bereits ziemlich gut, daher hatte ich kein Problem damit, mit ihm zu sprechen.

Stand ich jedoch in einem anderen Kiosk oder einem anderen Verkäufer gegenüber wurden meine Hände schweißnass, ich lief rot an und war außerstande, meinen Einkaufswunsch zu formulieren. 

Meistens bin ich nach einem kurzen Moment einfach hinausgelaufen.

Nun bin ich natürlich nicht mehr in der ersten Klasse und will auch keine Süßigkeiten kaufen, sondern würde gerne meinen Lesern meinen Text näher bringen.

Die Herausforderungen hierbei sind jedoch ähnlich, vielleicht noch etwas schwieriger, da ich meine kindliche Niedlichkeit verloren habe und zudem niemand darauf wartet, ein Buch kaufen zu dürfen sondern dieses verkauft bekommen und von diesem Buch überzeugt werden möchte.

Als ich Sena über den Verlag 3.0 veröffentlichte, war ich ebenso wie meine Freundin Lena noch sehr jung und im Nachhinein glaube ich nicht, dass ich wusste, worauf ich mich eingelassen hatte. 

Es war ein Abenteuer!

Ich hatte nicht wirklich eine Ahnung davon, wie ich auf Zeitungen oder Buchhandlungen zugehen sollte, aber mit der Zeit habe ich Dank der Unterstützung des Verlags sowie meiner Eltern einige Chancen bekommen, beispielsweise Berichte in der lokalen Presse.

Natürlich ist dabei nicht immer alles glatt gegangen und möglicherweise gibt es da draußen den ein oder anderen Verleger, der nicht besonders gut auf mich zu sprechen ist...

Mein größtes Problem im Umgang mit fremden Menschen ist es, mit Ihnen zu sprechen. Vieles läuft per Mail und ist daher eher weniger problematisch, doch spätestens wenn ich irgendwo anrufen soll, kann ich die Nacht zuvor nicht schlafen weil ich zu nervös bin.

Ähnlich geht es mir, wenn ich vor Menschen sprechen soll. Ich werde nervös, meine Stimme zittert und ich verhaspel mich immer öfter. Dies steigert meine Nervosität bis der Text (endlich) vorbei ist und ich wieder verstumme.

Dennoch gibt es einige Tricks, die mir sehr helfen:

1. laut lesen und betonen üben.

Es gibt einen Unterschied zwischen laut und still gelesenen Texten und um sich auf diesen Unterscheid vorzubereiten, damit man nicht vom Klang der eigenen Stimme überrascht ist, hilft lautes lesen um sich mit dem Klang der eigenen Stimme vertraut zu machen.

2. Den Text (sehr sehr) gut kennen

Vor meiner letzten Lesung hatte ich kaum Zeit, meinen Text zu lernen. Es war zwar bloß ein recht kurzer Lyrikbeitrag aber... naja... das lampenfieber hat zugeschlagen und es kam wie es kommen musste: meine Hände begannen zu zittern und zu schwitzen, mein Mund wurde trocken und meine Stimme versagte mehrfach. Als ich fertig war ertönte mechanischer Applaus und ich war froh, dass es vorbei war.

Spätestens seit diesem Erlebnis weiß ich, wie wichtig es ist, den Text möglichst gut zu kennen, denn das gibt Sicherheit. Dann ist es auch nicht schlimm, wenn ich die Zeile verliere, das Licht zu stark blendet oder der Zuhörerraum etwas unruhig wird.

3. Wissen, welche Situation man bevorzugt.

Ich tanze seit vielen Jahren und war davon überzeugt, ich würde mich auf großen Bühnen wohler fühlen, da ich das Publikum nicht sehen und dies mich nicht unter Druck setzen könne. Inzwischen habe ich sowohl vor recht kleiner Audienz, als auch vor größerem (unsichtbarem) Publikum gelesen und habe zu meiner Überraschung festgestellt, dass ich den direkten Augenkontakt zum Publikum bevorzuge. 

4. Festhalten hilft.

Diese Taktik nutze ich für gewöhnlich nur beim Arzt oder bei meiner Piercerin, doch da es mich durch meine mündliche Prüfung gebracht hat, denke ich, dürfte das auch für Lesungen hilfreich sein.

Je nach dem, um welche Art von Lesung es sich handelt, sitzt oder steht man, aber in jedem Fall hat man seinen Text dabei. Hat man nun die Möglichkeit, sich auf einen Stuhl oder Hocker zu setzen besteht die Möglichkeit, sich mit einer Hand an besagtem Möbelstück festzuhalten und somit für ein Gefühl von Stabilität und Sicherheit zu sorgen. Eine Andere Möglichkeit ist es, sich an seinem Test "festzuhalten". Dies ist in sofern gut, als das es nicht weiter auffällt, wenn man den Text festhält, da dieser ja sonst fallen würde und in sofern schlecht, dass der Text für gewöhnlich keine Verbindung zum Boden hat und damit keine Standfestigkeit oder Stabilität vermitteln kann wie es ein Hocker, Stuhl oder Tisch täte.

5. Routine bringt Gelassenheit.

Dieser Punkt ist fies, da die Routine Regelmäßigkeit erfordert und auf keinem anderen Weg erlangt werden kann. Aber es stimmt: je öfter man eine Handlung ausführt, desto besser wird man darin und desto entspannter geht man mit möglichen Patzern, Unfällen und ähnlichem um. Dies ist ein Punkt, an dem ich ganz besonders arbeiten muss und der leider nicht ausschließlich von mir abhängt.

Ich hoffe, ich konnte euch mit diesem kleinen Einblick in meine Gedankenwelt etwas begeistern und wünsche Euch einen guten Start in die neue Woche!

Jana Maria Schulz